Fragilität in Fotografie und Archiv - zu Dithugula tša Malefokana: Seeing other people’s stories, telling tall tales (2012) von George Mahashe


Wintersemester 2024/2025

Mit dem Ende der Apartheid stand die Fotografie in Südafrika nicht mehr länger in der Pflicht, Zeugenschaft zu leisten. Zunehmend untersuchten Fotografierende die Grenzen ihrer Repräsentationsfähigkeit und setzen sich mit ihrer Mehrdeutigkeit auseinander. Darunter fällt auch das Werk Dithugula tša Malefokana: Seeing other people’s stories, telling tall tales (2012) von George Mahashe. In seiner zweisprachig betitelten Installation wird die Autorität historischer Bildarchive anhand eines Fotoalbums aus der Kolonialzeit in Frage gestellt. Die ursprünglichen Aufnahmen wurden in den 1930er Jahren während ethnologischer Feldforschungen im Modus der teilnehmenden Beobachtung von der Gemeinschaft der Lobedu in der damaligen Provinz Transvaal gemacht. Nun bilden sie die motivische Grundlage einer delegierten Performance, in deren Mittelpunkt der Entzug von Sichtbarkeit steht. In einer mobilen Dunkelkammer sind die Betrachtenden aufgefordert, bereits ausbelichtete Fotopapiere in ein Entwicklerbad zu geben und die unfixierten fotografischen Abzüge anschließend zum Trocknen im Freien aufzuhängen. Der unerbittlichen Logik der Chemie folgend, sind die Motive kurz zu sehen und dunkeln dann bis zur Unkenntlichkeit nach.

Dadurch zeigt sich im Zeitraffer, was sonst Jahrzehnte dauern könnte: Fotografien sind vergänglich und als Archivalien unzuverlässig bzw. fragil. Fragilität wird dabei als eine Latenz gedacht, die den schwebenden Zustand vor einer jederzeit möglichen Zersetzung der Bilder beschreibt. Innerhalb der Masterarbeit wird Fragilität in drei Analyseschritten – die sich der Bedeutung, dem Material und dem Archiv-Begriff des Werkes widmen – immer wieder neu diskutiert. Dafür wurde ein transdisziplinärer Ansatz entwickelt, der sich aus der Fototheorie des New Materialism, der Archivologie, der Anthropologie und den Black Studies speist. Werden die im Archiv enthaltenen Fotografien als fragil verstanden, sind sie anzweifelbar und offen für Ergänzungen, was wiederum das Archiv für Annotationen zu den bislang dominierenden Meistererzählungen öffnet.